EIN ARTIKEL EINER DER LEHRERINNEN DER EUROPÄISCHEN SCHULE FÜR AYAHUASCA

Dies ist eines der großen Themen, das wir in den Ausbildungszyklen behandeln: die Notwendigkeit, persönliche Probleme auf die anderen zu projizieren.

Im Rahmen der psychotherapeutischen Arbeit hören wir oft von “projizieren” oder von “Projektionen”, und in den meisten Fällen mit einem negativen Unterton, den man daran feststellen kann, dass die Therapeuten oder Moderatoren zuviel Betonung darauf legen, dass die Personen nicht projizieren sollen. Sie versuchen, dies zu vermeiden.

Häufig hört man, wie jemand respektvoll zu einem anderen sagt “das ist deine Projektion” oder “du projizierst das auf mich”…weniger freundlich und korrekt ausgedrückt, hört es sich an wie “das ist dein Problem!” oder “schau dich erst mal selber an!”. In Wirklichkeit übertragen beide Kommunikationsformen das gleiche und haben mehr oder weniger die gleiche Bedeutung: “geh zum Teufel und löse erst mal deine eigenen Probleme, bevor du dich um meine kümmerst”, da sich in der Tat das Subjekt, auf welches projiziert wird, in der Regel beleidigt, angegriffen, in Besitz genommen und in irgendeiner Weise vom anderen abgewertet fühlt.

Der Vorschlag, den ich den Schülern der Schule mache, ist, dass wir im Fall einer adäquaten Anwendung der Projektion diese nicht nur als Mittel der Selbstbeobachtung verwenden könnten, sondern auch als intuitives Arbeitsmittel, um den Prozess des anderen zu unterstützen. Die Projektion ist ebenfalls ein Arbeitsmittel zur Heilung, je nachdem, wie sie genutzt wird.

Die mehr oder weniger “technische” Definition gemäß dem Gebrauch und der Entwicklung, den Freud ihr gab, kann wie folgt zusammengefasst werden:

“Die Projektion ist ein Verteidigungsmechanismus, mit welchem das Subjekt anderen Personen die eigenen Tugenden oder Fehler und sogar Mängel (Fehlen) zuschreibt. Im Fall der negativen Projektion arbeitet diese in Situationen emotioneller Konflikte oder interner oder externer Bedrohungen, in dem sie anderen Personen oder Objekten die eigenen Gefühle, Impulse oder Gedanken zuschreibt, die dem Subjekt inakzeptabel erscheinen. Es werden die Gefühle, Gedanken oder Wünsche, die nicht als eigen akzeptiert werden, weil sie Beklemmung oder Angstzustände generieren, auf etwas oder jemand dirigiert und vollkommen diesem externen Objekt zugeschrieben. Auf diese Weise schafft die psychische Verteidigung, diese bedrohenden Inhalte auszulagern. Die positive Projektion ist gegeben, wenn das Subjekt einer anderen Person Qualitäten zuschreibt, die bewundernswert, beneidenswert, liebenswert etc. sind, was eine übliche und sogar notwendige Komponente im Prozess des Verliebtseins ist. Der vom Subjekt realisierte Typ der Projektion hängt von seiner psychischen Struktur und der Introspektion ab, die es von sich selbst und seiner Selbstwahrnehmung macht.” (Wikipedia)

Ich betone noch einmal, dass der öffentliche Feind des Therapeuten die Projektion seiner eigenen Erfahrung auf den anderen ist.

Die Projektion auf geeignete Weise zu betrachten, um das Subjekt, das projiziert, mehr und besser zu kennen, stellt eine Änderung der Wahrnehmung in Bezug auf die Projektion dar. Wenn jene, die andere Personen in ihren evolutiven Prozessen mit der Absicht zu helfen oder zu unterstützen, behandeln, in der Lage wären, die Bedeutung der Projektion als unglaublich reichhaltige Informationsquelle zu sehen, würden sie diese sicherlich nicht zurückweisen oder auf sie hinweisen, sondern sie als Eingangstür zur Neurose des anderen nutzen.

Was ich hier von der Europäischen Schule für Ayahuasca aus vorschlagen möchte, ist die Verwandlung unserer Vision der Projektion, die Perfektionierung der Projektion.

Laut buddhistischer Definition beinhaltet die “Perfektionierung” einer Technik, sie zu verfeinern, zu praktizieren und sie mit derartiger Qualität zu benutzen, bis sie zu ihrem maximalen Ausdruck gelangt, bis zum notwendigen Niveau, um Früchte zu zeigen. In diesem Sinne spricht man von der Perfektionierung u.a. von Tugenden wie der Großzügigkeit, der Geduld…

Wenn die Projektion in die Kategorie einer Tugend erhoben wird, im Sinne einer Informationsquelle, dann kann sie perfektioniert werden.

In diesem Sinn können wir von Perfektionierung der Projektion sprechen, wenn wir ihr Bewusstsein einprägen. Oder auch, wenn trotz der reaktiven Aktion, welche die Projektion leitet, sie in eine weise Handhabung unserer vergangenen Erfahrung verwandelt werden kann dank dem bewussten Einsatz unserer Fähigkeit, den Mechanismus in flagranti zu sehen.

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass wir uns im Moment der Übertragung der Vergangenheit in die Gegenwart oder des eigenen in den anderen zu legen “erwischen”. Uns im Moment der Projektion zu erwischen. Uns zu erwischen, ist eine Qualität des Bewusstseins, die uns erlaubt, uns im gleichen Moment unserer Handlung bewusst zu werden, ohne uns damit zu identifizieren oder uns zu beschuldigen. Wenn derjenige, der projiziert, sich nicht selbst “erwischen” kann, muss dort die Qualität dessen erscheinen, der die Projektion aufnimmt, um zu helfen, das der Projektierende seine Haltung sehen kann

Vom Platz des Empfängers oder Objektes der Projektion aus können wir auch in Erinnerung bringen, ob eine Person ihre eigene Erfahrung auf uns projiziert. Hier gibt es zwei Optionen: eine ist, dass wir in diesem Moment eine derart neutrale und urteilsfreie Energie haben, die uns in eine weiße Leinwand verwandelt, auf welche die andere Person frei ihren Film projizieren kann und welcher Teil der authentischen Verpflichtung der Arbeit mit dem anderen ist, oder dass der andere in uns etwas sieht, was er selbst hat…doch was wir selbst ebenso haben. Wenn wir uns dessen annehmen, können wir dies als evolutive Waffe verwenden; wenn wir hinter der Ausrede “das ist seine Projektion und diese hat nichts mit mir zu tun” verstecken, können wir in den Selbstbetrug und die Mittelmäßigkeit verfallen, unter Verlust der Gelegenheit, den anderen näher kennenzulernen.

Der Unterschied zwischen der einen oder der anderen Haltung angesichts der Projektion wird von unserer Bereitschaft und Kapazität bestimmt, uns selbst in jedem Moment mit Aufrichtigkeit zu beobachten, zu sehen, ob wir reagieren, ob sich etwas in uns bewegt angesichts der Anklage des anderen und was es ist, das uns bewegt.

Letztendlich können wir Menschen dank der Projektion kommunizieren und in Verbindung treten; dank der Projektion glauben wir, mehr Affinität oder Gemeinsamkeiten mit den einen als den anderen zu haben; mehr Gesprächsthemen; mehr Empathie; ähnlichen Sinn für Humor; Anziehung auf physischer, emotioneller oder mentaler Ebene…ist die Anziehung nichts anderes als ein Wunsch, zu kommunizieren und uns mit einem anderen Wesen zu verbinden? Wenn wir nur auf einer essentiellen Ebene, auf der Ebene des Seins, auf spiritueller Ebene miteinander umgehen würden…wie würden wir alle die vorher genannten Annahmen, uns ähnlicher zu sein oder eine bessere Verbindung zu den einen, aber nicht zu anderen, aufrechterhalten, wenn wir uns bewusst wären, dass wir alle in jedem Moment eins sind?

Die Projektion ist die Basis der menschlichen Erfahrung. Der Schlüssel jeglicher therapeutischer Verbindung, die zwei Menschen beginnen, ist die Projektion, oder vielmehr der Nutzen, den einer der Projektion der eigenen Erfahrung zu geben vermag in dem Augenblick, in dem er sie auf die Erfahrung des anderen überträgt. Aus diesem Grund ist es fundamental, dies zu wissen, uns bewusst zu werden, in der Lage zu sein, die Projektion an ihren richtigen Platz zu stellen, sie nicht zu eliminieren oder bei Seite zu lassen in einem Akt der Zurückweisung: sie an ihren Platz zurückzubringen, einen zweitrangigen Platz, einen Platz als machtvolles Instrument, wenn dieses mit Weisheit und Bewusstsein eingesetzt wird.

Die menschliche Erfahrung ist fruchtbar, wenn sie all jenes integriert, das Teil ihrer selbst ist. Ohne irgend etwas zurückzuweisen. Ohne irgend etwas zu verurteilen. Ohne irgend etwas zu verdammen. Unter Einsatz des Bewusstseins und dem Herzen als Richtschnur, um mit einem selbst und dem anderen in Verbindung zu treten.

Laura Torrebadella

[email protected] (Englisch oder Spanisch)

 

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